Strandgut 2

Geschichten mit Meerblick

Band 2  (Buch)

Die „Strandgut“-Reihe setzt sich fort mit weiteren 12 besinnlich-nachdenklichen Geschichten von Menschen und ihren Meeren – Begegnungen, Entscheidungen, dem Auf und Ab des Lebens. Es sind stille Geschichten voller Poesie und bisweilen auch Melancholie, die uns zum Nachdenken und -spüren bringen – intensive Texte, die noch lange in Erinnerung bleiben.

Lassen Sie sich entführen in kleine Fischerdörfer, an stille Strände und besondere Orte, in denen sich der Duft von Salz und Seetang mit den Schicksalen der Menschen mischt und in denen die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Traum und Wirklichkeit verwischen.

 

gebundenes Buch
14 Kurzgeschichten | 140 Seiten
Format: 14,8 x 14,8 cm
ISBN 978-3-8423-4720-5

Art.Nr. KB-B-4

ebook
ISBN 978-3-8448-5547-0
erhältlich im regulären Buchhandel

Verlag: BoD Norderstedt

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Strichmännchen

Auf dem Deich, der von ihrem Fenster aus den Horizont begrenzt, laufen trotz des stürmischen Wetters Leute. In ihren farbigen Regenjacken sehen sie wie bunte Strichmänn­chen auf einer mit dem Zeichenstift gezogenen Linie aus. Sie stemmen sich gegen den Wind, bleiben von Zeit zu Zeit stehen und sehen hin­über ins Watt oder auch zur Landseite, wo sich die kleinen Reetdachhäuschen beinahe aneinanderkuscheln, so als wollten sie sich ge­genseitig wärmen gegen die beißende No­vemberluft.

Es führen schmale Treppen zu beiden Seiten des Deiches herunter, und hin und wieder ver­schwinden einige der Strichmännchen auf der anderen Seite, dort wo das Watt im Sommer moorig an den nackten Füßen kleben bleibt. Doch jetzt ist es zu kalt, um barfuss durchs Watt zu gehen. Die Strichmännchen tragen bunte Gummistiefel, manche sogar Gummihosen, die sie vor Wind und Wasser schützen.

Die kleinen Wanderergruppen ziehen sich immer wieder unregelmäßig auseinander, schließen wieder zueinander auf, gestikulieren mit den Armen. Und auch der ein oder andere Einzelgänger setzt seinen mühseligen Weg gegen den böigen Wind fort.

Rosa steht am Fenster, dessen kleine, vier­eckige Scheiben halb von einer Häkelgardine verdeckt sind. Kleine gehäkelte Segelboote ziehen ihre Bahn über das schmale Fenster, das nur mühsam die Kälte von draußen abhält. Der Teebecher in ihrer Hand dampft und wärmt  sie zumindest ein wenig, während sich ihre Brust zum wiederholten Male in einem tiefen Seufzer hebt und wieder senkt.

Eines der Strichmännchen, es ist ein gelbes, winkt mit beiden Armen zu ihr herüber. Es trägt eine dunkle Pudelmütze und Handschuhe, die Hose ist in gelbe Gummistiefel gesteckt und von einem Arm baumelt fröhlich eine Tragetasche. Rosa hebt langsam den Arm und winkt zurück.

Jorge. Er bringt die Einkäufe. Zweimal die Woche kommt er vom Dorf herüber und bringt ihr, was sie zum Leben braucht. Er ist ein guter Junge, der Sohn eines spanischen Fischers, dessen Familie es vor Jahren hierher verschlagen hat und  der in dem kleinen Dorfladen arbeitet. Kisten stapelt, Gemüse putzt, Regale auffüllt und Besorgungen für einige Stammkunden erledigt.

Das Strichmännchen bewegt sich weiter den Deich entlang, bis es schließlich hinter den kapuzenartigen Reetdächern der Nachbarhäuser verschwindet.

Rosa stellt den Becher auf der schmalen Fensterbank ab, auf der sich Muscheln, Treib­holz und anderes Strandgut aneinanderreihen, und öffnet die Tür. Jorges gelbe Regenjacke lugt schon zwischen den unbelaubten Bäumen der angrenzenden Gärten hervor. Er kommt mit seinem gewohnten forschen und von Tatendrang und Energie zeugenden Gang den schmalen Weg an den Gärten hinunter. Schließlich öffnet er das leicht schief hängende Gartentor und kommt mit einem breiten Strahlen auf dem Gesicht über den kleinen Plattenweg auf sie zu.

Rosa unterhält sich eine Weile mit ihm, wäh­rend er wie üblich ablehnt, hereinzukommen. Er gibt ihr die Einkaufstasche und sie reicht ihm das Geld herüber. Seine rechte Hand hat er vom Handschuh befreit und fingert das Geld in eine schmale Jackentasche auf seiner Brust. Wie üblich verneigt er sich bei der Verabschiedung mehrmals, während er gleichzeitig rückwärts die zwei Stufen vor ihrer Haustür hinuntertritt. Er streift den Handschuh wieder über, winkt noch einmal zum Gruß, schließt das Gartentor und das Gelb seiner Jacke verschwindet bald danach aus Rosas Blick.

Langsam schließt Rosa die Haustür und kehrt in die Stube zurück. Die Einkaufstüte lässt sie auf einen der Stühle sinken, die an dem schmalen Tischchen vor dem Fenster stehen.

Sie streicht ihrer Tochter über den Kopf und seufzt. Manuela hat den Kopf schief gelegt und sieht sie mit verdrehten Augen an, in denen das Weiße überwiegt. Rosa streichelt sanft über ihre Wange und hört das fröhliche Glucksen ihres kranken Mädchens. Des Kindes, das niemals mit den anderen Strichmännchen über den Deich laufen wird. Manuela wird dieses Haus wohl nie verlassen, und auch für Rosa ist es ihre ganze Welt geworden. Sie lässt ihr krankes Kind nicht allein.

Jorge bringt ihr die Lebensmittel.

Jorge erzählt ihr, was im Dorf vor sich geht.

Jorge ist ihr Fenster zur Welt.

Rosa tritt ans Fenster zurück und schaut zum Deich hinüber. Dort steht ein winkendes gelbes Strichmännchen, und sie hebt langsam die Hand und winkt noch einmal zurück.

Manuela gluckst. Rosa schaut zu ihr herüber. Auf dem mit bunten Stiften wild und willkürlich bekritzelten Zettel, der vor ihr auf dem Tischtuch liegt, ist die einzig erkennbare Figur ein Strichmännchen, das beide Arme in die Luft reckt.

Rosa lächelt. Manuela sieht wohl Dinge, die ihre Augen gar nicht sehen. Sie sieht sie wohl in ihrem Kopf, die Strichmännchen auf dem Deich…

Leserstimmen

Ich kann das Buch Strandgut 1, aber auch den zweiten Band, nur jedem ans Herz legen, der gerne vom Meeresrauschen, dem Kreischen der Möwen und von vielen kleinen Muscheln träumt. Die Geschichten entführen den Leser in andere Welten, die aber dank der warmen, genau beobachteten Beschreibungen jedem bekannt vor kommen. Man schließt die Augen und sieht sie vor sich, die rundgeschliffenen Kieselsteine und hört die Brandung. Als ob man selber mit der Autorin an diesem Ort stünde, von dem gerade geschrieben wird. Manche Geschichten sind humorvoll, andere tiefgründig und manche etwas traurig, nie aber langweilig. Mit wunderbaren Worten werden Orte, Menschen und die Natur beschrieben. Ein Buch zum zurücklehnen und genießen!

Leserin Meike

Nachdem ich vom ersten Band so angetan war, war ich gespannt auf Band 2. die neuen Geschichten zogen mich direkt wieder in den Bann. Schon die erste Geschichte („Strichmännchen“) malte mir Bilder in den Kopf, so wie ich es von Ihnen gewohnt bin! Und wieder erstaunt mich die Bandbreite der Geschichten und Stimmungen, wieder bewundere ich Ihre Phantasie und Ihren Einfallsreichtum, der hinter den Geschichten steckt. Meine Lieblingsgeschichte? Definitiv „Der Regenbogentänzer“!
Wieder unbedingt empfehlenswert, allerdings gilt auch für Band 2: Man sollte sich Zeit nehmen (oder besser: geben) für diesen Buchspaziergang.

Sylvia K., Gelsenkirchen
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