Zeit der Lichtbringer

„Pssst! Sei doch leise!“ flüsterte Sophie und ihr Atem malte weiße Wolken vor ihr Gesicht. Das Gartentor hatte verdächtig gequietscht, und beide Kinder waren erschrocken zusammengefahren. Angespannt lauschten sie.

„Keiner hat was gemerkt. Los, lass uns fahren!“ Hendrik war schon auf den Sattel seines Fahrrads geklettert und strampelte los. Sophie trat ein paar Mal kräftig in die Pedale und holte ihren kleinen Bruder schnell ein. Erst an der nächsten Straßenecke schalteten sie ihre Fahrraddynamos ein – jetzt waren sie außer Sichtweite. Ihr Atem ging schnell, sie mussten sich beeilen. Sie hatten etwas mehr als eine Stunde, dann würde es ganz dunkel sein, und die Eltern würden sie zur Bescherung rufen. Bis dahin mussten sie wieder zuhause sein.

Während Sophie die Fahrräder aus der Garage geholt hatte, hatte Hendrik eine halbe Ewigkeit gebraucht, heimlich alles Nötige aus der Werkstatt des Vaters zu holen – fast hatte sie schon Angst bekommen, er sei erwischt worden.

Noch während des Kindergottesdienstes am frühen Nachmittag hatten die beiden ihren Plan gefasst. Wispernd und tuschelnd hatten sie während des Weihnachtsliedersingens unruhig auf ihrer Kirchenbank gesessen und sich mahnende Blicke von Mutter und Vater zugezogen. Dabei hatten sie zuvor bei der Predigt noch ganz geduldig zugehört: Der Pastor hatte davon gesprochen, dass an Weihnachten ein Licht ausgeht in die Welt, ein Licht der Hoffnung und des Friedens. Dieses Licht gebe den Menschen Geborgenheit, besonders denjenigen, denen sonst wenig Liebe zuteil würde, und ein solches Licht sei das größte Geschenk auf der Welt.

Eilig waren die Kinder nach dem Gottes- dienst aus der Kirche gestürmt und hatten die verdutzten Eltern ebenfalls zur Eile angetrieben.

[ Fortsetzung im Buch]