Geheimnisvolle Dinge passieren ...

[ … ]

Katharina öffnete gerade die kleine goldene Tür ihres Lädchens, als die alte Frau Gruber aus dem Nachbarhaus mit ihrem Rollator vor die Haustür trat.

„Guten Morgen, Frau Gruber“, rief sie ihr zu und winkte, doch die alte Dame reagierte nicht wie sonst. Stattdessen nestelte sie an einem Gegenstand herum, den Katharina nicht erkennen konnte. Sie trat näher. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“ fragte sie und sah, dass Frau Gruber versuchte, eine kleine rote Schleife an einem Päckchen zu lösen. Ihren zittrigen Händen wollte das aber nicht gelingen, und so reichte sie Katharina das Päckchen. Weißes Papier mit goldenen Sternen und dazu ein rotes Band – jemand hatte sich viel Mühe beim Einpacken gegeben.

„Ich verstehe das gar nicht“, sagte Frau Gruber, während Katharina den Knoten aufknib- belte. „Das lag heute morgen im Hausflur auf meinem Briefkasten. Ich hoffe, das ist überhaupt für mich …“ Katharina drehte den kleinen Papieranhänger um, der vom Geschenkband baumelte. Auf der einen Seite stand eine Eins, auf der anderen Frau Gruber.

„Nein, nein, Frau Gruber, das ist schon für Sie“, beruhigte sie die alte Dame. „Da steht ja Ihr Name drauf. – – So, jetzt hab ich den Knoten gelöst.“

Sie reichte Frau Gruber das Päckchen, die noch immer den Kopf schüttelte. „Aber wer schenkt mir denn was? Und dann noch so? Ist doch noch gar nicht Weihnachten…“

„Nein“, lachte Katharina, „aber es ist der 1. Dezember. Die Adventskalenderzeit beginnt. Deshalb wohl auch die Eins auf dem Anhänger.“

Frau Gruber hatte inzwischen das Papier geöffnet und quiekte erstaunt auf, als sie den Inhalt des Päckchens erkannte:

Ein Korkenzieher.

„Das ist ja genau das Richtige – meiner ist mir letzte Woche kaputt gegangen, und ich hatte noch gar keine Zeit, mir einen neuen zu besorgen. Da konnte ich abends gar nicht mein geliebtes Gläschen Wein trinken.“

„Na, da hat der Weihnachtsmann aber gut aufgepasst“, lachte Katharina und nahm der alten Dame das Papier ab.

Frau Gruber strahlte über das ganze Gesicht – da war jemandem die Überraschung wirklich geglückt. Wer das wohl gewesen ist, fragte sich Katharina, aber Frau Gruber war schon mit ihrem Rollator davongetrabt. Beschwingter als sonst, soviel war gewiss.

Katharina freute sich für die alte Dame. Sie wohnte allein, hatte keine Familie und kam von Zeit zu Zeit auf einen kleinen Plausch zu ihr ins Lädchen, wenn es in der Wohnung gar zu still war. Gerade die Weihnachtszeit war für alte, einsame Menschen wirklich schwer auszuhalten, und Katharina ging es ja irgendwie genauso…

Sie seufzte und machte sich daran, ihr Lädchen für den Tag herzurichten. Wie gut, dass sie dieses kleine Reich aus Büchern und Geschenken hatte! Sie liebte es, hier mit den Menschen zu plaudern, sie zwischen die großen und kleinen Buchdeckel zu entführen und etwas Magie und Feenstaub in ihren Alltag zu streuen. Es war schön, Menschenaugen zum Leuchten zu bringen – so wie es der geheime Päckchenpacker auch bei Frau Gruber getan hatte.

Wundervoll! So fing in diesem Jahr die Adventszeit mit waschechtem Weihnachtszauber an!

[ Fortsetzung im Buch]