Wenn Worte fehlen ...

Diese Welt ist ganz und gar aus Liebe gemacht. 

Und alles, was wir mit uns nehmen,

ist die Liebe, die wir gegeben und empfangen haben.

Am Fußende meines Bettes hatte eine Frau Platz genommen. Ich hatte sie nicht kommen sehen, doch sie schien schon eine ganze Weile dort zu sitzen.

Sie war klein und zierlich und trug ein altmodisches schwarzes Kleid – etwa wie meine Großmutter es getragen hätte. Sie hatte die Hände in ihrem Schoß gefaltet und blickte mich mit blassgrauen Augen schweigend an. Ihr Gesicht hatte viele Falten und Runzeln, und ihr Blick war voller Traurigkeit. Sofort fühlte ich mich eigenartig verstanden: auch ich war voller Traurigkeit.

Ich war krank, sehr krank. Das machte mich traurig. Trauriger als ich es je zuvor in meinem Leben gewesen war. So traurig, dass es mir bisweilen die Luft zum Atmen nahm; so traurig, dass ich glaubte, an meinen Tränen ersticken zu müssen. Immer war sie da, diese Traurigkeit, tagein – tagaus, und niemand konnte sie mir nehmen. Auch die vielen lieben Besucher, Freunde und Familie, die sich alle so sehr bemühten mich aufzuheitern, vermochten nicht, die ungeweinten Tränen zu stillen, die in mir waren. Und so lächelte ich und versuchte, für diese lieben Menschen stark zu sein, was mich mit der Zeit aber nur noch mehr erschöpfte.

Ich betrachtete die schweigende Gestalt eine lange Zeit und fand in ihren Zügen all meine Trauer und meinen Schmerz. Den Schmerz, dass irgendwie nichts mehr so war wie bisher – und nie wieder so sein würde wie bisher. Der Schmerz, schon bald alle meine Lieben verlassen zu müssen.

Gerade als ich die Frau ansprechen und mit ihr darüber reden wollte, öffnete sich die Zimmertür und eine zweite alte Frau trat ein. Sie trug ein farbenfrohes Sommerkleid und trat leichten Schrittes näher. Sie lächelte mich an …

[ Fortsetzung im Buch]